Juan Moreno: Tausend Zeilen Lüge. Das System Relotius und der deutsche Journalismus

Juan Moreno:

Tausend Zeilen Lüge. Das System Relotius und der deutsche Journalismus

Ende 2018 gab es ein Erdbeben im deutschen Journalismus. Der Spiegel veröffentlichte ein umfangreiches Statement, dass einer seiner Redakteure und deutscher Journalistenstar, Träger diverser Pressepreise, Claas Relotius, im großen Stil gefälscht hat. Kaum etwas von seinen preisgekrönten Reportagen ist wahr, bei einigen war er nicht einmal vor Ort, diverse Fakten sind erlogen, Namen, Orte, Hintergründe – alles falsch.

Das an sich ist ein unfassbarer Hammer. Ein Schlag ins Gesicht des Qualitätsjournalismus. Wasser auf die Mühlen all derer, die sagen, dass die althergebrachten Medien nicht glaubwürdig sind. Trotzdem muss auch hier differnziert werden: Fake News werden geschaffen mit einer Agenda, einer häufig politischen Motivation, Menschen zu täuschen und sie in eine bestimmte Richtung zu manipulieren, indem zum Beispiel simple Erklärungen, einfache Feindbilder und wenn-dann Bezüge hergestellt werden, die einfach nicht stimmen. Was Claas Relotius getan hat, war etwas anderes: er hat das geschrieben, was preisverdächtig war, ihm Geld, Sympathien und Ruhm einbrachte – ohne politische Agenda. Das eine ist Propaganda, das andere „wenn ich euch zu Tränen rühre, werde ich XY bekommen“.

Juan Moreno ist freier Mitarbeiter des Spiegel und derjenige, der diesen Skandal aufgedeckt hat – unter Existenzangst leidend, fassungslos angesichts der immer größeren Menge an Fälschungen und Fehlern, die er zutage fördert. In seinem Buch Tausend Zeilen Lüge erzählt er chronologisch, was geschehen ist, wie er sich, das Haus Spiegel, Claas Relotius und auch sein Umfeld wahrgenommen hat – und es ist nicht schön. Beim Lesen habe ich oft mit dem Kopf geschüttelt über so manches Ego, so manch vertane Stunde, so viele gekränkte Eitelkeiten und mich gefragt, ob das wahr sein kann. Aber Menschen sind Menschen, egal wie genial sie vielleicht für hochgelobte Zeitschriften schreiben. Und es ist wahr- wie der Spiegel selbst bestätigt hat.

Was kann die Lehre sein aus diesem Buch und dem Skandal? Noch weniger glauben und weniger vertrauen auf Medien? Nein! Lüge, Fiktion und Propaganda können wir am allerbesten begegnen mit Wissen, eigenem kritischen Geist und hinterfragen. Wenn etwas zu gut ist, um wahr zu sein, zu logisch für ganz reales Leben – ist es vielleicht nicht wahr. Aber um Fiktion von Realität zu trennen, braucht es Wissen und Rückgrat. Beides hatte Juan Moreno- auch als er mit dem Rücken zur Wand stand.

Chapeau!

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