Neulich saß ich bei einem Interview im Studio des literatur Radio Bayern und dachte einen Satz, den ich zeitgleich aussprach: Cinderellas Fee ist das gleiche wie Christian Grey: sie oder er begegnet ihr und plötzlich wird ihr Leben märchenhaft-der gefüllte Kleiderschrank, das Geld auf dem Konto oder das Schloss und der Prinz – alles da.
Ausgangspunkt war das Nachdenken darüber, warum Bücher im Moment so populär sind, die halbnackte Millionäre auf dem Cover haben(aufgeknöpftes Hemd, durchtrainierter Bauch) und so etwas heißen wie „Millionaire`s Secret). Handlung ist immer gleich: verschusseltes Mädchen vom -mehr oder minder Land mit ebensolchem Auftreten, Fingernägeln ohne Maniküre etc(und Minderwertigkeitskomplexen deshalb)-trifft per Zufall heißen CEO weltweiter Firmenkette, der mit Ende 20/Anfang 30(älter sind sie selten) alles erreicht hat und nun, obwohl er es selbst noch nicht weiß, auf der Suche nach der Frau fürs Leben ist. Gleichzeitig hat er schwere Traumata erlitten in seiner Kindheit, die nun durch sanfte Berührung geheilt werden wollen.
Er trifft nun also Sie, die Eine, stößt sie komplett vor den Kopf bei einem One Night Stand, schickt danach Berge von Blumen, stellt ihr Leben auf den Kopf, überschüttet sie mit Topf voll Gold vom Ende des Regenbogens, sie verzeiht ihm jede Beleidigung/Zurückweisung/Verschwinden, gibt ihr eigenes Leben auf und ist glücklich bis ans Lebensende.
Wo ist die Parallele zur Fee?
Wie verhält sich Cinderellas Fee? Sie kommt am Abend des Balls zu Cinderella, als das arme Mädchen ganz am Boden ist wegen der Aufgabe des Erbsen von Asche trennens und dem zerstörten Kleid ihrer Mutter dank der Bösartigkeit der Stiefmutter. Die Fee erklärt ihr nicht, dass Stiefmutter und – schwester Angst haben vor ihrer Schönheit und sie deshalb eingesperrt haben und weckt in ihr Verstehen. Nein, sie sagt ihr auch nicht, dass ihre Opferbereitschaft zusammenhängt mit ihrer Angst vor dem nächsten verlassen werden(Vater und Mutter tot) und sie sich deshalb an den Ort klammert, an dem sie als Kind glücklich war.
Sie zaubert ihr eine Illusion von Kleid, Schuhen, Pferden und Kutsche, gibt ihr Verhaltensregeln vor und schickt sie los. Es wird also nicht die Ursache von Cinderellas Ängsten bekämpft, sondern nur der Schmerz an diesem einen Abend. Sie trifft den Prinzen, er verliebt sich, sie rennt weg, er findet den Schuh und später auch sie und rettet sie. Ende ohne Schrecken.
Das ist das gleiche Thema wie bei 50 Shades und Co: frau muss nur warten, dann kommt Prinz oder Millionär und in der Folge alles machen, was er sagt, dann kommen Liebe, Luxus und verstörend guter Sex.
Das ist doch einfach nur nette Lektüre für rote Ohrenspitzen und kein Problem, sagt ihr? Ich verstehe den Grundgedanken und auch den Traum, so ist es nicht. Was mich stört, ist die stillschweigende Entmündigung und vorauseilende Pflichterfüllung in diesen Büchern. Frau ist davon abhängig, dass sie exakt das tut, was er will oder wollen könnte, sonst folgt Liebesentzug auf Zeit oder gleich Verstoß aus dem Palast. Und das bedeutet: sie ist mit einem Narzissten zusammen, der sein Glück als Maß aller Dinge erhebt und den es einen- Entschuldigung-Dreck schert, wie es seiner Umwelt dabei geht. Und wenn die nicht erfüllt, was er will, dann ist sie schuld. Immer, ausnahmslos. Das führt zu permanenter Verunsicherung auf Seiten des Partners und macht krank in der Seele. Und ich möchte wirklich keine Sätze lesen wie in „Game of Destiny“ von Geneva Lee, in der der Mittzwanziger zu der 18jährigen sagt vor ihrem ersten Sex: „Du bist jetzt 18, jetzt gehörst du mir.“. Seit wann ist es (wieder) ok, Menschen als Besitz zu bezeichnen? Und bevor mir jemand sagt, dass das sexy ist – hier geht es nicht um eine Dominanzbezeigung zwischen zwei Menschen, die wissen, worauf sie sich einlassen – sondern um eine 18jährige ohne Geld unter enormem emotionalen Druck und einem Mittzwanziger mit mehr Geld, als er jemals ausgeben kann.
Dem gegenüber steht zwar Luxus und Sex- aber was ist das wert, wenn frau immer auf der Hut sein muss? Die Bücher hören auf, bevor so etwas passiert und überhaupt, warum erzähle ich das? Ganz einfach: wenn diese Bücher die Gesellschaft wiederspiegeln und ihre Verhältnisse, dann finde ich das düster. Das Grundsatzthema, das frau nur dazu da ist, um geheiratet zu werden, ohne Mann nichts wert und zur Armut verdammt, kannten wir jahrhundertelang. Wäre es nicht Zeit für Bücher auf den Bestsellerlisten, die zeigen: frau kann sich selbst retten und groß und stark sein?
Jeder Spot für Entwicklungshilfe sagt uns: schickt nicht einfach Essen dorthin, sondern bildet die Menschen aus, sorgt dafür, dass Mädchen zur Schule gehen, gebt den Menschen Mikrokredite und bringt ihnen bei, wie man ein Geschäft führt – dann können sie sich aus eigener Kraft retten und erhalten ihren Stolz. Nur Essen geben erzieht zu Abhängigkeit.
Und anders gefragt: welches verwirrende Männerbild vermitteln solche Bücher? Was ist mit den Guten? Wollt ihr nicht eine Partnerschaft mit einem Mann, der verlässlich ist? Der dann zuhaus ist, wenn er es sagt, anruft, wenn er es versprochen hat, euch liebt im Jogginganzug, einzelne Rosen verschenkt und selbst nicht permanent Rivalinnen um seine Gunst aufmarschieren lässt?
Soll man(n) lernen, er muss frau schlecht behandeln, damit sie ihm zu Füßen liegt? Wirklich? Ich hebe ein großes Dagegen Schild hoch! Und wieso sollte man(n) die Verantwortung dafür tragen, dass euer Leben so ist, wie ihr gerne hättet? Der Partner ist nicht dafür da, euch glücklich zu machen. Für euer eigenes Glück seid ihr zuständig, er soll euch „nur“ nicht unglücklich machen und lieben – das ist auch ganz schön viel. Liebe hat nichts mit Kämpfen zu tun um Zuneigung und Aufmerksamkeit oder mit sich abstrampeln und perfekt sein wollen. Echte Liebe heißt: ich muss nur sein und lieben, dann liebt er oder sie zurück und ist einfach da. Echte Liebe ist Entspannung, Ruhe und Wärme. Enough said.
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